Im Interview enthüllt Ulf Sauer, wie ein weihnachtliches Erlebnis 1990 seine künstlerische Laufbahn initiierte. Er spricht über seine inspirierenden Anfänge, seine Bewunderung für Bernd Zimmer und Georg Baselitz sowie seine tiefe Verbindung zur Natur und Farben.

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Wann wussten Sie, dass Sie Künstler werden wollen?

Das hat sich Anfang der 90er Jahre entwickelt. Am 24.12.1990 hatte ich ein zuerst unscheinbares, dann doch wegweisendes Erlebnis. Meine Geschwister und ich warteten, wie seit der Kindheit, in unseren Zimmern auf die weihnachtliche Bescherung. Aus Langeweile stöberte ich in meinem Zimmer herum und bekam meinen alten Malkasten und Block aus der Schulzeit in die Hände. Sofort hatte ich den Impuls etwas zu malen. Ein neuer Raum entstand in meinem Leben, sodass ich in der Folgezeit mich immer mehr mit Kunst auseinandersetzte. Ich stattete mich immer mehr mit Materialien und Kunstbüchern aus, ging in Museen und Ausstellungen und probierte verschiedenste Techniken und Farben aus. Weiter nahm ich dann Unterricht und besuchte in Wiesbaden eine private Malschule. Dies entwickelte sich fortgehend, bis ich dann 1996 entschied, aus meinem damaligen Beruf, Einkäufer in einer Baufirma, auszusteigen und den Weg in das Kunststudium aufzunehmen. Das wohl wichtigste Weihnachtsgeschenk, das ich je erhalten habe!

"Intuition ist mehr als bloßes Bauchgefühl."

(Foto: Mario Brand)

Welcher ist Ihr, noch lebender, Lieblingskünstler?

Da kann ich Bernd Zimmer nennen, bei dem ich während des Kunststudiums ein Praktikum (2001) in seinem Atelier absolvierte. Seine Malerei schätze ich bis heute noch sehr, wobei formal gesehen in den letzten 20 Jahren nicht mehr so viel passiert ist, doch sein Farbumgang und die Farbklänge nach wie vor faszinierend sind. Ein weiterer mir genauso wichtiger lebender Künstler ist Georg Baselitz; kein Hype, sondern ehrliche Malerarbeit. 



Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit beim Betrachter hervorrufen?

Was kann man sich wünschen? Sicher ist es schön, wenn die eigenen Werke Anklang bei anderen Menschen finden, doch ist es ein Individuelles mit dem Erleben von Kunst; sie ist ein freilassendes Angebot zur Wahrnehmung. Würden meine Bilder beim Betrachter ein besonderes Erleben hervorrufen oder Gedanken anstoßen, so wäre dies als Ideal zu nennen. Letztendlich möchte ich ein Bewusstsein beim Betrachter dafür schaffen, dass wir einem gesamten Kosmos angehören, der weit mehr als die materielle Ebene ist.

Wilde Welt 2 – 120 x 140 cm


Was ist die interessanteste Interpretation, die Sie von Ihrer Arbeit gehört haben?

Einige interessante assoziative Interpretationen waren schon dabei, aber eine mir besonders wichtige ist die Mitteilung eines engen Freundes. Er hat ein Bild von mir, welches ihn an einen Ort seiner Kindheit erinnert, einen See im Wald, wo er sich früher öfter mit seiner Familie aufhielt. Obwohl kein See und kein Wald zu sehen sind, das Bild recht abstrakt ist und die Farbgebung weit vom Naturalismus entfernt ist, hat er diese Verbindung mit dem Bild. Mich bestärkt dies in der Aufgabe und dem Vermögen von Kunst.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration für Ihre Arbeiten?

Die Hauptmotivation kommt aus den Farben und Farbklängen selbst. In verschiedenen Lebensphasen waren es einzelne Farbtöne, die in mir aufstiegen, vordergründig lebten und leben. Anfangs in den 90er Jahren war es zum Beispiel Grün. Damals benutzte ich unglaublich viele Grüntöne und lotete die Bandbreite von Grün und dazu besondere Kontraste aus. Seit Beginn der Jahrtausendwende ist es die Farbe Gelb, die bis heute einen wichtigen Stellenwert hat, aber auch ein Stahlblaugrau taucht immer wieder auf. Zu dem Farbaspekt kommt mein Interesse für die Geheimnisse des Lebens, die großen Fragen nach dem Sein, Wahrhaftigkeit und Sinn des Lebens. Studium von Schriften und Gespräche mit anderen Menschen füllen diesen Bereich an, stellen neue Fragen, sowie alle Geschehnisse, Wahrnehmungen und vor allem Aufenthalte in der Natur, gehören zu meinen Inspirationsquellen.

"Wir wissen mehr als wir denken."

(Foto: Mario Brand)

Was ist das Beste daran Künstler zu sein?

Die Arbeit im Atelier, damit verbunden das Gefühl von absoluter Autonomie im Schaffensprozess und der Innere Dialog, der schließlich die Bilder in die Sinnenwelt bringt. Im Zusammenschluss ist es der offene Prozess und der handwerkliche Umgang mit den Materialien; Geist und Materie verbinden sich. Zu erkennen und zu wissen, dass wir Menschen einem großen Ganzen angehören.  

Können Sie Ihre Techniken und Ihren künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?
Mittlerweile verfüge ich über eine große Bandbreite. Von kleineren Kniffen, fein abgestimmten Farbkonsistenzen bis hin zu solidem Umgang in den Techniken der Ei-Öltempera, Acrylmalerei, sowie der Technik der Enkaustik Malerei. Im Malprozess baue ich grundsätzlich die Bilder auf und beginne entweder mit einer gezielten Untermalung in einer Farbe oder mehrfarbiger Anlage, auf die sich dann recht schnell ungewöhnlichere Farberscheinungen ergeben oder sich die Farbklänge steigern. Im Prozess suche ich dann Formen und Formenzusammenhänge, bis ich schließlich die Gesamtkomposition über die Farbgebung abstimme. Ob aleatorisch gewonnene oder gesetzte Formen, oder beides, im Bild auftauchen, hängt mit dem inneren Dialog der Bildentstehung zusammen und dem Fokus in den verschiedenen Werkbereichen. Manchmal muss ich auch liebgewonnene Stellen zerstören, um Hemmungen im Prozess aufzulösen und zur Wahrheit des Bildes vorzudringen. Ein nicht vorherbestimmbarer, individueller und lebendiger Prozess eines jeden Bildes letztendlich.

"Malerei ist Entdeckung."

(Foto: Mario Brand)

Was war Ihr überraschendster Moment ihrer bisherigen Kunstkarriere?

Das war das Angebot und die Möglichkeit einen 2-monatigen Arbeitsaufenthalt bei einem japanischen Papierkünstler, Makoto Okuno, zu bekommen. Ein Traum wurde wahr. Ich lebte und arbeitete vom 27.12.03 bis 29.02.04 mit ihm und seiner Familie in dem kleinen japanischen Dorf Ryujinmura und durchlief den gesamten Prozess der Herstellung von Kozo-Papier; von der mühsamen Beschaffung der Baumrinde, der Gewinnung und die Reinigung der Fasern, bis zum Schöpfen des Papieres selbst. Alles von Hand und auf traditionelle Weise. Der Aufenthalt in Japan, Besuche in Osaka, Kyoto und der Tempelstadt Nara waren absolut faszinierend. Für diese Möglichkeit bin ich heute noch sehr dankbar.  

Kommen & Gehen 3 – 70 x 100 cm


Welche Anschauung haben Sie auf unsere Welt und ihre Gesellschaft?

In gewisser Weise verstehe ich mich als philosophisch-soziologischer Maler. Kunst ohne Welt- und Gesellschaftsbezug kann ich mir nicht vorstellen. Dabei schaue ich recht kritisch auf die Entwicklung in Deutschland und global. Vor allem wie sich das zwischenmenschliche Klima und der Umgang miteinander recht negativ entwickelt.
Ein Hauptfaktor für die derzeitige Entwicklung ist meiner Ansicht nach die Überbetonung des Materiellen und Vernachlässigung des seelisch-geistigen Aspektes im menschlichen Leben. Der Motor für diese Schräglage sind der Hardcorekapitalismus und ein Umsichgreifen von Fanatismus bzw. Extremismus, der sich in vielen Bereichen zeigt und durch seine Einseitigkeit schädlich wirkt. Wir sind mitten in einer Umbruchzeit, im Zeitalter des Individualismus. Dieser hat Chancen zur Verbesserung des einzelnen Lebens, doch müssten viele Menschen dafür ein Bewusstsein bekommen, und vor allem diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, um eine positive Entwicklung verstärkt zu vollziehen. Insgesamt könnte ich sagen, müsste ein Ausgleich zwischen der materiellen und seelisch-geistigen Ebene geschaffen werden, damit sich nicht noch mehr Abgründe auftun und zuspitzen. Kunst und Erkenntnisstreben kann diese Prozesse unterstützen und dem Einzelnen dabei helfen, sich bewusster und achtsamer im Leben zu verhalten. In meiner künstlerischen Arbeit trifft das auf mein Haupt- oder Überthema: Die Widersprüchlichkeiten (Ambivalenz) des Lebens, die es zu überwinden gilt, um selbstbestimmter und erfüllter zu leben.

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Die Vorfreude, besser, die Vorspannung, wenn es kribbelt und zwickt, ich einen unglaublichen Zug verspüre an ein Werk oder eine Werkserie heranzugehen, ist etwas Besonderes. Dann die erste Berührung der Leinwand mit dem ersten Farbtupfer, ein Initial für eine Entdeckungsreise. Es folgt konsequentes Erarbeiten im dialogischen Malprozess; mal leichter, mal Ringen um die Freisetzung. Ist die Lösung vom Bild dann entstanden, tritt Zufriedenheit ein und das nächste möchte errungen werden.  

Gefilde 1 – 140 x 150 cm


Was sind Ihre nächsten Projekte, Ideen und Ausstellungen. Wo kann man Sie und Ihre Kunst zeitnah sehen?

Seit letztem Jahr entwickelt sich mein neuer Werkbereich „Allianzen“, der sich inhaltlich aus einer Notwendigkeit im Zeitgeist begründet gefunden hat und ganz deutlich meinen Ansatz der „Elementaren, kosmischen Malerei“ aufzeigt. Den arbeite ich gerade weiter aus und möchte den Umfang der ersten 25 Bilder noch mit überwiegend Großformaten weiterentwickeln. Da ist hohes Potential enthalten. Weiter möchte ich die aufwendige Enkaustik Technik in großformatige Bildwerke umsetzen und bin bereits mit den Vorbereitungen der Bildträger zugange. Zum Dritten liegen die vielen Arbeiten aus der Japanreise in meinem Archiv und diese möchte ich für eine Veröffentlichung vorbereiten und auch die in den nachfolgenden Jahren entstandenen Werke zu diesem Bereich, die „Japan-works“, weiter ausbauen. Diese Arbeiten sind überwiegend Tusche auf Papier und sicherlich wert, ebenfalls in die Sichtbarkeit zu kommen. Aktuell können sie Werke von mir in der Galerie des Designer-Hotel nhow in Berlin sehen und Ende Juni werde ich im Kulturbahnhof Münster-Hiltrup eine Ausstellung haben. Sicher wird dieses Jahr noch einiges im Veröffentlichungsbereich und kooperativem Zusammenhang stattfinden. Ein spannendes Jahr.

Weitere Informationen zum Künstler Ulf Sauer finden Sie hier:

www.ulfsauer.de

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