Nach einem Lebensweg voller Umwege und einer lebensgefährlichen Krankheit widmet sich Sandra Plaar mit 50 vollends der Kunst. Ihre Werke, inspiriert von Kim Manfredi und Therese Stirling, sollen innere Stärke und emotionale Freiheit wecken.

Verfasst von

Redaktion

Wann wussten Sie, dass Sie Künstler werden wollen?

Eigentlich wollte ich bereits nach dem Abitur Künstlerin werden. Eigentlich. Doch Selbstzweifel und vorgefasste Glaubensätze wie „Kunst ist brotlos, lern was Gescheites!“ obsiegten und ließen mich den Weg der vermeintlichen Sicherheit gehen. Doch erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Eine lebensgefährliche Krankheit im Alter von 23 Jahren ändert mein Leben radikal. Ich breche das Jurastudium ab, werde Lehrerin, später Kunsttherapeutin und betätige mich als Autorin zweier Bücher. Doch erst in der Kunst finde ich meine innere Heimat. Mit 50 erfülle ich mir den Lebenstraum, mich ganz der Kunst hinzugeben. Ganz nach dem Motto: Es ist nie zu spät, seinen Traum zu leben.

Welcher ist Ihr, noch lebender, Lieblingskünstler?

Kunst ist einfach so vielfältig und grenzenlos, dass es mir schwerfällt, mich da auf einen Künstler oder Künstlerin zu beschränken. Von daher ist meine Vorliebe immer nur eine Momentaufnahme. Aktuell finde ich die Kunstwerke von Kim Manfredi spannend. Ihr breites Spektrum an Ausdrucksvielfalt und die Kombination diverser Malmittel beindrucken mich ebenso wie die Dimensionen ihrer Werke. Ihre aktuelle Serie, in der sie Öl und Sprayfarben kombiniert, finde ich absolut magisch. Zudem finde ich sie als Mensch ultrasympathisch.

In der Technik der Enkaustik ist Therese Stirling meine Favoritin. Für mich ist sie die „Queen of Encaustic“, die schafft es, diese Technik auf riesigen Kunstwerken umzusetzen.

"Kunst ist für mich die freieste Version, meinen Lebensweg zu beschreiten"


Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit beim Betrachter hervorrufen?

In einer Welt, deren Rhythmus sich zunehmend beschleunigt, fühlen sich die Menschen selbstentfremdet. Wir brauchen Momente, in denen es ganz ruhig wird, um uns wieder auf das WESENtliche zu fokussieren. Meine Bilder sind Früchte dieser stillen Achtsamkeit. Sie sollen den Betrachter an seinen heiligen Ort der Selbstachtung erinnern, wo er inneren Frieden und emotionale Freiheit findet, um sich gestärkt weiterzuentwickeln. Mit ihrer energiegeladenen Ausdruckskraft sollen meine Werke den Betrachter anstoßen, seine eigene innere Stärke wahrzunehmen. Das Bewusstsein um die innere Kraft, schafft Vertrauen in sich und die Machbarkeit des Lebens.

Was ist die interessanteste Interpretation, die Sie von Ihrer Arbeit gehört haben?

Es war weniger die Interpretation als vielmehr die Wirkung, die eines meiner Bilder bei einer Käuferin auslöste. Auf einer Ausstellung fühlte sie sich magisch durch eines meiner Werke angezogen. Als sie den Titel erfuhr, stand für sie fest, dieses Bild musste sie haben. Sie hatte vor kurzem ihren Ehemann verloren und befand sich zwischen Trauer und dem notwendigen Entscheid, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. „Inner strength“ mit seinen Rissen und leuchtenden Farbakzenten in Hellgrün, Rosa und Blau half ihr zu erkennen, dass, obwohl gerade etwas in ihrem Leben zerbrochen war, sich neue Räume auftaten, um hineinzuwachsen. Beim Betrachten des Bildes fühlte sie eine tiefe Verbundenheit mit ihrem verstorbenen Ehemann und nahm gleichzeitig die Botschaft, ihr Leben mutig in neuen Farben erblühen zu lassen, wahr. Ihr sehr persönlicher Dankesbrief hat mich zutiefst berührt und dankbar dafür gemacht, was ich als Künstlerin auslösen durfte. 

"Die Bildsprache der Kunst ist ein Türöffner für das Unaussprechliche"

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration für Ihre Arbeiten?

Die Schönheit und Vollkommenheit der Natur inspirieren mich immer wieder aufs Neue. Natur wertet oder urteilt nicht. Sie ist einfach. Ein ewiger Kreislauf aus ständigem Wandel und Weiterentwicklung. Besonders faszinieren mich dabei Strukturen und Risse, die in meine Arbeit einfließen. Für mich sind sie Sinnbild des natürlichen Prinzips des ständigen Wandels. Wenn vermeintlich alles zerbricht, bietet sich die Chance, wieder zu einem wunderbaren Ganzen zusammenzuwachsen. 

Was ist das Beste daran Künstler zu sein?

Kunst ist für mich die freieste Form, meinen Lebensweg zu beschreiten. Als Person mit einer chronischen Krankheit wurde mein Lebensweg und meine Tätigkeit weitestgehend durch meinen Körper bestimmt. Kunst gibt mir die Möglichkeit, mehr als diese Krankheit zu sein. Sie gibt mir die Möglichkeit, aus der körperlichen Beengtheit auszubrechen, mich als das zu äußern, was ich wirklich bin. In der Kunst erlebe ich absolute Freiheit. Sie lässt mich annehmen, was ist und macht mich wieder ganz. Malen bietet mir die ideale Spielwiese, mich vorbehaltslos auszuprobieren und immer wieder über meine eigenen Begrenzungen hinauszugleiten. 

"Kunst befreit Stärke. Kunst bestärkt Freiheit"

Können Sie Ihre Techniken und Ihren künstlerischen Schaffensprozess beschreiben?

Ich lebe mein experimentierfreudiges Naturell in der Technik der Mixed Media und der Enkaustik aus. Beide Techniken vereinen die Möglichkeit, immer wieder die Grenzen des Machbaren auszuloten und stillen meine unersättliche Neugier und den Drang nach neuen Herausforderungen. Meine Herangehensweise ist unbefangen und durchaus experimentell. Der Schöpfungsprozess beginnt intuitiv aus dem Bauch heraus und folgt keiner klaren Vorstellung dessen, was entstehen soll. Vorgängige Skizzen sind mir ein Gräuel und blockieren mich. Meist entscheide ich mich lediglich für ein bis zwei Farben. Es folgt ein intensiver Prozess von Scheitern und Neuwerden. Ich beobachte, verfeinere, verwerfe oder erhalte am Leben. Wenn es dann innerlich ganz still wird, wenn das, was auf die Leinwand geflossen ist, mich tief in meinem Inneren berührt, dann weiß ich, dass ich fertig bin.

Was war Ihr überraschendster Moment ihrer bisherigen Kunstkarriere?

Im Grunde genommen war es der erste, echte Berührungspunkt mit Kunst. Damals war ich 18 Jahre alt und hatte gerade meine Abitur-Abschlussarbeit im Fach Bildnerisches Gestalten vollendet. Als ich das Zimmer betrat, stand eine Aushilfslehrerin vor meinem Bild und meinte: „Das ist echt Klasse! Das würde ich sofort kaufen.“ Sie wusste nicht, dass das Bild von mir war. Mehr im Witz fragte ich: „Was würden Sie denn dafür bezahlen?“ Ihr Angebot von 2000 Franken haute mich fast aus den Socken. Obwohl das damals für mich eine unfassbar hohe Summe war, schlug ich ihr Angebot aus. Zu groß war meine emotionale Bindung zu diesem Bild, als dass ich mich davon hätte trennen können.

Kraftvolle Mitte, 80x130 cm


Welche Anschauung haben Sie auf unsere Welt und ihre Gesellschaft?

Im Gegensatz zu vielen anderen teile ich die Auffassung, dass früher alles besser war, nicht. Es war lediglich anders. Wandel bedeutet jedoch Entwicklung und ist somit die Grundvoraussetzung dafür, die Welt zum Besseren zu gestalten. Was an Fahrt aufgenommen hat, ist die Geschwindigkeit, in der sich Veränderungen vollziehen und Menschen in die Überforderung und Orientierungslosigkeit führen. Doch ich bin überzeugt davon, dass die Menschheit sich in einer Phase der spirituellen Transformation befindet. Krisen können da durchaus als Entwicklungsbeschleuniger fungieren, indem sie uns zwingen, uns auf das Wesentliche zu fokussieren. Uns daran erinnern, dass wir letztlich auf unserer Lebensreise alle auf der Suche nach demselben sind: Liebe und Zugehörigkeit. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass alles mit allem verbunden ist, werden wir erkennen, dass wir die Herausforderungen unserer Gesellschaft nur gemeinsam meistern können. Wenn wir aufhören, unsere verschiedenen Talente gegeneinander aufzuwiegen und uns mit anderen zu vergleichen, werden wir realisieren, dass eine höhere Ordnung diese so ausgewogen verteilt hat, dass sie dem Gelingen des großen Ganzen dienen. Was es dazu braucht, ist die grundlegende Veränderung der verkrusteten Strukturen, in denen wir werten. Die Bereitschaft, Gleichheit und Einheit zu etablieren, in der wir uns gegenseitig tragen, unterstützen und inspirieren. Als unerschütterliche Optimistin halte ich an der Vision einer Welt des ganzheitlichen Friedens und der bedingungslosen Liebe fest.

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Für mich ist es die absolute Freiheit im künstlerischen Ausdruck und die Möglichkeit, immer wieder neue bildnerische Welten zu erschaffen. Jedes neue Kunstwerk fordert mich heraus, mich mit dem noch nicht Dagewesenen auseinanderzusetzen. Ich alleine bestimme den Rhythmus, den Raum und die Zeit. Ich bin die Richterin. Alles darf, nichts muss. Und so halte ich die alleinige Schaffenskraft einer neuen Welt in meinen Händen. Vollende das Werk, wenn sich innere Ruhe, Zufriedenheit und das Gefühl des Angekommen Seins in mir ausbreitet.

Liaison zwischen Rosa und Türkis, 80x80 cm

Was sind Ihre nächsten Projekte, Ideen und Ausstellungen. Wo kann man Sie und Ihre Kunst zeitnah sehen?

Momentan arbeite ich an einer neuen Serie mit dem Titel „Transformation“, die ganz im Zeichen des gesellschaftlichen Wandels und dem Potenzial der Weiterentwicklung steht. Mit der Serie möchte ich zeigen, dass es sich lohnt, über seine eigenen Grenzen hinauszugleiten, um neue Welten zu erschaffen. Zudem möchte ich mich an großformatige Werke wagen, in denen Kollagen zum tragenden Element werden. Ich hoffe einige dieser Werke in einer Einzelausstellung in einer Galerie in Basel, mit der ich gerade im Gespräch bin, ausstellen zu können.

Als Person, der es immer wichtig war, sich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, werde ich mich im kommenden Jahr zudem mit meiner Kunst für karitative und Projekte zum Klimaschutz stark machen. Als Künstler*innen haben wir die Möglichkeit, wichtige gesellschaftliche Themen aufzugreifen und eine andere Sichtweise zu präsentieren. 

Kaufanfragen und weitere Informationen zu Sandra Plaar unter:

www.sandraplaar.ch

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